Das riesengroße Skizzenbuch

Liebe Alle,

Tabea hat mich in Ihrem Schriftworkshop dazu inspiriert, ein richtig großes Skizzenbuch zu binden. Die Möglichkeit, sehr groß zu arbeiten und dabei nicht nur Schrift, sondern auch große Skizzen anfertigen zu können, finde ich reizvoll. Gesagt, getan.

Vorbereiten der Lagen

Da ich mich im no-buy-year befinde, habe ich in meinem Fundus aus Papieren gestöbert und Reste eines großen Zeichenblockes gefunden. Das Papier ist dick und sehr haptisch und die Laufrichtung ließ ein Hochformat zu, was größer als A4 ist.

Der Deckel

Mein Skizzenbuch soll sich plan aufklappen lassen, aber wegen der Größe dennoch eine Art Schutzhülle bekommen. Eine koptische Bindung fällt daher weg, denn diese hat einen offenen Rücken, wie hier:

Koptische Bindungen gibt es in verschiedenen Varianten. Immer sind die Lagen des Buches am Rücken sichtbar.

Eine weitere Möglichkeit, Bücher plan aufzuklappen, ist die Secret Belgian Binding. Hier wird aus drei einzelnen Teilen ein Buchdeckel gebunden. Vorderer Deckel, Rücken und hinterer Deckel sind dabei nicht (wie sonst üblich) durch Papier, Gaze oder Stoff miteinander verbunden, sondern werden in einem ersten Schritt mit Garn aneinander genäht.

Die Herausforderung

Das Problem des Rückens der Secret Belgian Binding ist, dass er leicht herausrutscht, da er ja nicht fixiert ist. Im Grunde ist er nur eingewoben. Bei einem anderen Buch habe ich ihn darum mit zwei extra Löchern, durch die ich das garn zusätzlich geführt habe, fixiert: 

An den beiden extra Löchern wird der Deckel eingenäht. Das geschieht schon während man den Deckel vorbereitet. Wichtig: Es müssen zwei Löcher sein. Mit nur einem Loch funktioniert die spezielle Bindung des Deckels sonst nicht.

Mein Skizzenbuch wird außerdem vorne noch eine Blende und eine Klappe zum Verschließen bekommen. An meinem Prototyp sieht das dann so aus:
Die Blende ist wie ein 2. Rücken, nur eben vorne angebracht. Daran hängt die Klappe, die sich mit Hilfe von zwei Fundus-Knöpfen und einem Band verschließen lässt.

Für meinen Buchdeckel brauche ich also 5 Pappteile:
  • einen Deckel vorne
  • einen Rücken
  • einen Deckel hinten
  • eine Blende vorne
  • eine Klappe
Farblich gleiche Teile sind baugleich. Ich muss sie also nur einmal messen, aber zweimal zuschneiden.

Die Gestaltung

Die Lagen

Die Lagen habe ich gerissen, was wunderbar flauschige und haptische Ränder gibt. Auch dazu hat mich Tabea inspiriert. Gerissenen Kanten sind zwar weniger ordentlich, aber sie haben mehr Charakter.

Das Vorstechen ist eine Fleißarbeit, die sich bei mehreren Lagen irgendwo zwischen Meditation und Ungeduld bewegt.

Als Belohnung gibt es dann einen Stapel hübsch gestochener Lagen, der die Vorfreude auf das Binden steigert.



Der Deckel

In Michaelas und meinem bunte Bücher Workshop Anfang August habe ich eine Drucktechnik im Schablonendruck für mich entdeckt, die weder neu noch schwer ist: Das partielle Drucken mit der Schablone. Das bedeutet, dass ich mit der Farbrolle nicht über die komplette Schablone rolle, sondern nur in der Mitte, so dass das Motiv zum Rand hin transparenter wird und sich verläuft. Das eignet sich hervorragend für großflächige Schablonen mit Mustern. Mit dieser Technik lässt sich sehr gut ein Collage-Charme auf das Papier zaubern, außerdem eignet sich das prima, um Löcher zu füllen. Schaut mal, die Papiere sind doch ganz hübsch geworden, oder?
Kombiniert mit Michaelas neuen Insektenschablonen (könnt Ihr beim Hiwwelwerk erstehen) "dschungeln" diese Drucke eifrig vor sich hin. Die Pfingstrose ist eine mehrfarbige Schablone, die ich vor langer Zeit entworfen, aber noch nie benutzt hatte.

Solche Drucke wollte ich unbedingt wieder machen. Ich habe sie auch noch für Stoffe im Kopf, aber dazu bin ich noch nicht gekommen. Der Buchdeckel für das große Skizzenbuch war aber eben wegen seiner Größe eine ganz wunderbare Möglichkeit, sich da nochmal auszutoben. Ich habe mir einige Schablonen aus meinem Fundus herausgesucht (bis auf zwei habe ich sie alle selbst entworfen) und losgelegt - die Pappen habe ich, statt sie zu beziehen, direkt bedruckt, um ein fortlaufendes Muster zu erhalten:
Zunächst habe ich alles in blau grundiert und mit einer Lage Zahnräder (Schablone von Etsy) ergänzt.

Ich verwende übrigens nur Acrylfarben, die aus alten Postkunstaktionen oder Spenden noch in meinem Fundus sind (no-buy-year!):

Einige Farb- und Schablonenlagen später.
Solange ich dem Farbschema treu bleibe, mische ich die Farben aus der vorher verwendeten Farbe immer neu und gebe einfach nur etwas mehr Blau, Weiß oder eine andere Farbe hinzu. So wird der Druck sehr harmonisch.

Aber auch Harmonie braucht Kontrast:
Für die Mohnblume mische ich natürlich Farben im Rot-Spektrum an. Dabei sei gesagt: Ich besitze nur einen einzigen Rotton, und der ist sehr gedeckt. Ansonsten habe ich je ein Neonpink, Neongelb und Neonrot. Ergänzt werden diese Töne beim Mischen durch Blau und Weiß.

Mischen

Im Grafikdesign arbeitet man mit verschiedenen Farbschemata. Vielleicht habt Ihr schon einmal von RGB oder CMYK gehört? Beides sind Standarts, mit Hilfe derer man Farben genau definieren kann. Grundlegend ist aber, dass sie nur eine sehr begrenzte Anzahl an Grundfarben haben, aus denen man sich alle Farben mischen kann. Rot, Gelb Blau (RGB) entspricht der Theorie des Farbkreises. Cyan, Magenta, Yellow, Black (CMYK - K steht für "Key") funktioniert im Prinzip gleich. Hier ins Detail zu gehen, artet aus, denn was ich eigentlich vermitteln wollte, ist:
Du brauchst nicht viele Farben, um eine weite Spanne an neuen Farben zu kreieren. Und: Am schönsten sind immer die gemischten Farben. Reine Farbtöne aus der Tube wirken meist platt und charakterlos. Einzige Ausnahme sind Kontrastfarben in kleiner Anwendung, die die restliche Farbpalette hervorheben und betonen. (Aber: Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und -zum Glück!- nicht streitbar, darum macht, was Euch gefällt!)

Nun aber weiter mit dem Buch:

Als kleine Highlights setz ich noch ein paar Punkte dazwischen. Auch hier nehme ich kein Reinweiß, sondern nutze als Grundlage einen kleinen Rest des hellsten (und zuletzt verwendeten) Gelbtones aus der Mitte der Blüten (in dem auch schon ein Rest des hellsten Rottones von davor war, der wiederum ein durch Weiß aufgehellter Rest des davor verwendeten dunkleren Tones war... Alles klar? :-)  )





So sieht der fertige Deckel am Ende aus.

Das Binden

Erst beim Binden stelle ich fest, dass ich in den Deckel für jede Lage zwei Löcher zu viel gestochen habe, die ich für die eigentliche Bindung nicht brauchen werde.
Neu drucken macht keinen Sinn: Die Motive sind fortlaufend angeordnet und die Farben so individuell gemischt... Außerdem habe ich keine Lust auf neu und wähle daher die Variante der Improvisation.

Sehr akkurat, aber unnütz: vier statt nur zwei Löchern...

Die überflüssigen Löcher habe ich einfach für einen Zierstich in Kreuzoptik zweckentfremdet. Hier sieht man das Garn des Zierstiches in Rot.
Da ich viele Lagen habe, die in das Buch sollen (ich mag dicke Bücher), mache ich nach der Hälfte eine Pause und beschwere die schon gebundenen Lagen. Das komprimiert die Dicke und danach habe ich mehr Platz für den Rest.

Die Lagen komprimiere ich in ihrer Dicke mit zwei Brettern und Gewichten.

Auch das Binden ist, wie schon das Vorstehen, eine reine Fleißarbeit. Manchmal fluche ich, manchmal freue ich mich. Aber am Ende sind doch alle Lagen geschafft.

Fast geschafft.


Das fertige Buch

Worte gab es nun genug, darum reiche ich Euch hier die Bilder zum fertigen Buch:
Viele große Seiten warten nun nicht nur auf Grundierungen, sondern auch auf Gestaltung. Ich freue mich über das große Format.


Die Kanten sind knall rotorange geworden.

Das fertige Buch, geschlossen, von oben.


Habt Ihr einen kleinen Einblick in das Binden, die Gedanken und den Prozess bekommen? Ich bin sicher, hier und da werdet Ihr das Buch noch einmal sehen, denn von nun an soll es zum Einsatz kommen. Tabea, lass uns schreiben!

Habt es fein, liebe Grüße,

Maike.

Kommentare

  1. Wahnsinn Maike! Das Buch ist der Hammer!!! Ich bestehe auf einer Solopräsentation mit allem Drumherum beim nächsten Ateliertreffen!
    LG Kristina

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Den Einblick sollst Du gerne bekommen :-)

      Löschen
  2. Wow, das ist ja mal ein Wälzer! Eigentlich ist ja eine Kiste mit Buch drin. Wie toll, du kannst eben nicht nur miniklein, sondern auch in riesig eskalieren, genial.
    Darf die Graphik-Designerin noch eine Ergänzung zu den Farbschematas machen?
    In RGB könntest du keine Acrylfarben mischen, denn dieser Modus ist nur für Bildschirmanwendungen. Es ist die additive Farbmischung aus den drei Kanälen Rot, Blau und Grün, die sich zusammen zu Weiß mischen.
    Wenn echte Farben aufs Papier kommen, beim Offsetdruck, wird in CMYK gemischt, Cyan, Magenta, Yellow und Schwarz werden übereinander gedruckt und zusammen wird es immer dunkler. Das passiert ja auch beim Mischen mit den Acrylfarben, nur weiß gibt es bei CMYK nicht. Helligkeit wird erreicht, indem weniger Farbe durch Rasterung gedruckt wird... Kapiert? ...
    Egal, dein Buch ist genial und ich bitte um einen exklusiven Einblick demnächst!
    Schönen Mittwoch noch,
    Michaela

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Den Einblick bekommst Du. Vielleicht, wenn es etwas gefüllter ist - neue Workshops locken!

      Löschen
  3. Der dicke Wälzer ist klasse. In deine Mohnblume bin ich ja schon seit Bunte Bücher verliebt. Ob es daran liegt dass meine Eltern Mohnblumentapeten ( riesige Mohnblumen!!) im Wohnzimmer hatten? Ich sozusagen unter einer Mohnblumenwand groß geworden bin? Ich wünsche dir viel Freude beim Füllen der Seiten. Und ich bin froh, dass dein No-Buy Year sich nicht auf Workshops ausgedehnt hat. CU soon online - sozusagen. Bei Tabeas Schöne Post möchte ich unbedingt mitmachen.
    Liebste Grüße Tanja

    AntwortenLöschen
  4. Wow, tolles Skizzenbuch, Maike! Die Muster und die Farbkombinationen zusammen mit den roten Kanten und der Bindung sind der Knaller🤩. Top Resteverwertung im no-buy -year👍. Liebe Grüße Nicole

    AntwortenLöschen
  5. Claudia von kreisrund18. Oktober 2023 um 20:19

    Wow, wie schön! Herzlichen Dank für die ausführlichen Einblicke! Meine absolute Lieblingsstelle sind die orangenen Kanten. Und alles andere auch. Dir viel Freude beim Füllen!

    AntwortenLöschen
  6. Ich sitze und staune ....einfach wow !!! Sandra

    AntwortenLöschen
  7. Liebe Maike

    WOWOWOW! Hammercool dein Buch! Also diese Blumen mit mehreren Druckvorgängen sind umwerfend und beeindruckend! Und ja, nun bist du auf jeden Fall schneller als ich. Diese Bindung, die du hier zeigst, möchte ich auch gern mal anwenden. Mal sehen, wieviele Löcher ich zu viel steche :) Auf jeden Fall werde ich einige Löcher stechen, denn mein Paperlagenstapel ist sehr sehr hoch ... das ergibt viele Bücher. Ich nehm mir fest vor, dies im Oktober noch anzugehen :)

    Liebe Grüße und viel Freude beim Füllen! Tate

    AntwortenLöschen
  8. Total klasse ist dies Buch, Maike, und dass du den Prozess so fein dokumentierst. Danke für den Einblick und viel Freude beim Füllen! Liebe Grüße -
    Verena

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich freue mich sehr über Dein Feedback! Dein Beitrag wird schnellstmöglich freigeschaltet.